In der dazu veröffentlichten Pressemitteilung der Behörde für Schule und Berufsbildung heißt es zum Thema Inklusion:
„Hamburgs Inklusionsquote, also der Anteil der Schüler:innen mit sonderpädagogischem Förderbedarf, der an Regelschulen unterrichtet wird, nimmt weiter stetig zu.“
Auch auf dem Instagram-Account der Schulbehörde wird die steigende Inklusionsquote als Erfolg der schulischen Inklusion in Hamburg präsentiert:
Inklusionsquoten allein liefern keine verlässlichen Aussagen über den Erfolg von Inklusion.
Sie sagen nur, dass der Anteil von Schülerinnen und Schülern mit sonderpädagogischem Förderbedarf an Regelschulen zunimmt.
Ob damit verbunden die Zahl der Schülerinnen und Schüler an Sonderschulen sinkt, sagen sie nicht.
In Hamburg gibt es nach wie vor ein gut ausgebautes schulisches Sondersystem mit insgesamt 31 Sonderschulen.
Die Zahl der an Sonderschulen unterrichteten Kinder und Jugendlichen geht seit dem Schuljahr 2018/19 nicht mehr weiter zurück.
Im Gegenteil: Seit drei Jahren zeichnet sich sogar ein leichter Aufwärtstrend ab.
Auch der Anteil der Sonderschüler an der Gesamtzahl aller Schüler in Hamburg wird nicht weniger.
Seit dem Schuljahr 2022/23 liegt die Exklusionsquote fest bei 2,2 Prozent.
Dass sich daran in absehbarer Zeit etwas ändern wird, ist nicht zu erwarten.
Selbst der Hamburger Senat geht davon aus, dass die Exklusionsquote bis 2035 nicht weiter sinken wird.
Im Klartext heißt das:
Die Inklusion in Hamburgs Schulen schreitet nicht voran – sie hat sich festgefahren.
Und das bereits seit mehreren Jahren.
Wie passt das mit den von der Schulbehörde präsentierten Zahlen zusammen?
Die Schulbehörde suggeriert mit ihrer Interpretation der Inklusionsquote, dass es einen unmittelbaren Zusammenhang gibt zwischen dem Zuwachs von Schülern mit sonderpädagogischem Förderbedarf an Regelschulen und dem Rückgang an Sonderschulen.
Doch diesen Zusammenhang gibt es nicht.
Zwischen 2012 und 2024 ist die Zahl der Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischen Förderbedarf an Regelschulen um 3.496 gestiegen.
Gleichzeitig ist die Zahl aller Sonderschüler nur um 1.095 gesunken.
Tatsache ist:
Seit Einführung der schulischen Inklusion wird bei immer mehr Schülerinnen und Schülern an Regelschulen ein sonderpädagogischer Förderbedarf diagnostiziert.
Denn mehr Kinder mit bescheinigtem Förderbedarf bedeuten für Schulen in der Regel mehr Ressourcen.
Meist handelt es sich um einen Förderbedarf im Bereich Lernen – Sprache – emotional-soziale Entwicklung, vielen bekannt unter der Abkürzung LSE.
Im Schuljahr 2014/15 hatten noch 5.732 Schülerinnen und Schüler an Regelschulen einen sonderpädagogischen Förderbedarf im Bereich Lernen – Sprache – emotional-soziale Entwicklung.
Im laufenden Schuljahr 2024/25 sind es bereits 8.124.
In der gleichen Zeit ist die Zahl von Schülerinnen und Schülern mit speziellen Förderbedarfen an Regelschulen nur um 205 gestiegen.
Unter „speziellem Förderbedarf“ werden in Hamburg die sonderpädagogischen Förderbereiche körperlich-motorische Entwicklung, geistige Entwicklung, Sehen, Hören und Autismus zusammengefasst.
Hier sind Kinder und Jugendliche verortet, die im klassischen Sinn als „behindert“ gelten.
Und die damit eigentlich die Haupt-Zielgruppe von Inklusion sein sollten.
Doch diese Schülerinnen und Schüler nehmen nach wie vor kaum teil an inklusiver Bildung.
Die meisten von ihnen werden exklusiv an Sonderschulen unterrichtet.
In diesem Schuljahr sind es 2.620 junge Menschen, denen die gleichberechtigte Teilhabe an Bildung so verwehrt bleibt.
Zu Beginn der schulischen Inklusion in Hamburg (2012/13) waren es übrigens erst 1.986.
Die aktuellen Zahlen für das Schuljahr 2024/25 zeigen erneut, dass Hamburg immer noch weit entfernt ist von einem inklusiven Schulsystem, wie es die UN-Behindertenrechtskonvention fordert.
Nämlich EINEM Schulsystem für alle, in dem Kinder und Jugendliche mit und ohne Behinderung gemeinsam lernen.
Daran ändert auch nichts, dass Senat und Schulbehörde weiterhin vom Erfolg der schulischen Inklusion überzeugt zu sein scheinen.
Noch ein paar Gedanken zum Schluss:
Inklusion auf Erfolgskurs zu sehen, weil immer mehr Schülerinnen und Schüler an Regelschulen einen sonderpädagogischer Förderbedarf haben – diese Sicht greift nicht nur zu kurz.
Sie blendet auch entscheidendes aus.
Dazu zählt die Frage, warum immer mehr Schülerinnen und Schülern an Regelschulen ein sonderpädagogischer Förderbedarf bescheinigt wird.
Geht es ausschließlich um mehr Ressourcen?
Oder gibt es tatsächlich immer mehr Kinder und Jugendliche, die mit dem jetzigen System von Schule nicht mehr Schritt halten können?
Seit einiger Zeit verlassen immer mehr Schülerinnen und Schüler die Grundschulen, ohne ausreichend lesen, schreiben und/oder rechnen zu können.
Im Sommer 2024 beendeten 1.110 Schülerinnen und Schüler die Schule ohne einen Abschluss.
Das sind 6,3 Prozent aller Schulentlassenen.
Deutlich mehr als die Hälfte von ihnen hatte einen sonderpädagogischen Förderbedarf.
Es wird dringend Zeit, Schule neu zu denken und zu gestalten.
Es geht um die Bundestagswahl im Februar und um die Bürgerschaftswahl Anfang März.
Was die Bürgerschaftswahl angeht, hat sich die Hamburger Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW Hamburg) vor kurzem klar positioniert.
In einer Liste von Leitlinien stellt sie ihre bildungspolitischen Forderungen an die Hamburger Parteien vor.
Das erschreckende daran:
Die GEW Hamburg ignoriert das Menschenrecht auf inklusive Bildung!
Mit der Unterzeichnung der UN-Behindertenrechtskonvention haben sich Bund und Länder dazu verpflichtet, Bildung und Schule in Deutschland inklusiv zu gestalten.
Der UN-Ausschuss für die Rechte von Menschen mit Behinderungen und das deutsche Institut für Menschenrechte haben mehr als einmal klargestellt:
Sonderschulen sind nicht vereinbar mit dem Menschenrecht auf inklusive Bildung und müssen abgeschafft werden.
Trotzdem fordert die GEW Hamburg, Sonderschulen als „wertvolle und gleichwertige Bestandteile des Schulsystems“ nicht nur zu erhalten, sondern auch zu stärken.
Es verstößt gegen das Menschenrecht auf inklusive Bildung.
Und ist unvereinbar mit unserem Grundgesetz.
Das Grundgesetz sagt:
Kein Mensch darf wegen einer Behinderung benachteiligt werden.
Durch den Besuch einer Sonderschule werden Kinder und Jugendliche mit Behinderungen strukturell benachteiligt.
Das ist wissenschaftlich belegt.
Die meisten jungen Menschen, die in Sonderschulen beschult werden, verlassen die Schule ohne einen Abschluss und beginnen eine Ausbildung in einer Sondereinrichtung.
Zum Beispiel in einer Werkstatt für behinderte Menschen.
Hier verdienen sie deutlich weniger Geld.
Im Anschluss haben sie kaum Chancen auf eine Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt.
Die meisten von ihnen bleiben ein Leben lang „aussortiert“.
Auch in Hamburg verlässt der Großteil aller Schülerinnen und Schüler die Sonderschulen ohne einen Abschluss.
Generell ist an den meisten Hamburger Sonderschulen entweder gar kein oder nur ein erster allgemeinbildender Schulabschluss möglich.
Das Abitur ist an Sonderschulen grundsätzlich nicht möglich.
Quelle: Das Schuljahr 2023/24 in Zahlen, Hamburg 2024.
Doch zurück zu den bildungspolitischen Leitlinien der GEW Hamburg.
Neben der Stärkung der Sonderschulen fordert die GEW Hamburg in ihren Leitlinien auch eine „inklusive“ Schule als „Eine Schule für alle“.
Allerdings soll diese „Schule für alle“ ausschließlich die unterschiedlich begabten Schülerinnen und Schüler der Stadtteilschulen und Gymnasien zusammenführen.
Schülerinnen und Schüler der Sonderschulen bleiben außen vor.
Dieses Bündnis war 2016 angetreten mit der Forderung nach einer Schule für alle, in der Kinder mit und ohne Behinderungen gemeinsam unterrichtet werden.
Ein Jahr später beschloss die große Mehrheit aller Delegierten des 28. Gewerkschaftstag der GEW in Freiburg:
„Das Parallelsystem von Förder-/Sonderschulen und allgemeinen Schulen ist schrittweise aufzuheben. Der Transformationsprozess in eine inklusive Schule ist in den Schulgesetzen aller Bundesländer zu verankern.“
Acht Jahre später scheint das die GEW Hamburg nur noch wenig zu interessieren.
Wie kann es sein, dass die GEW Hamburg im Jahr 2025 Heterogenität und Vielfalt als große Chance für mehr Bildungsgerechtigkeit bezeichnet?
Und gleichzeitig Schülerinnen und Schüler „mit besonderem und umfassendem Förderbedarf“ von dieser Bildungsgerechtigkeit ausschließt?
Jeder junge Mensch hat besondere Fähigkeiten und Talente, von denen alle profitieren können.
Wann wandeln sich „unterschiedliche Begabungen und Talente“ in einen „umfassenden Förderbedarf“?
Wer entscheidet darüber, ob ein Kind inklusiv beschult wird oder die Sonderschule besucht?
In Hamburg ist man stolz auf das Elternwahlrecht, an dem Senat und Schulbehörde nach wie vor festhalten.
Allerdings ist das Menschenrecht auf Bildung kein Recht der Eltern, sondern ein Recht des Kindes!
Der Staat steht in der Verantwortung, jedem Kind den gleichberechtigten Zugang zu Bildung zu ermöglichen.
Pflege und Erziehung von Kindern ist das natürliche Recht der Eltern.
Aufgabe des Staates ist es, Kindern alle Lebensbedingungen zu sichern, die für ein gesundes Aufwachsen und eine freie Entfaltung der Persönlichkeit erforderlich sind.
Dazu zählt auch der gleichberechtigte Zugang zu Bildung.
Darum gibt es in Deutschland die allgemeine Schulpflicht.
Interessant ist auch, dass es gerade die GEW Hamburg ist, die bildungspolitisch die Rolle rückwärts vollzieht und eine Stärkung von Sonderschulen fordert.
Nach wie vor gilt Hamburg als Vorbild für eine gelingende schulische Inklusion.
Blickt man allerdings etwas genauer hin, stellt man schnell fest:
Nach wie vor gibt es in Hamburg ein gut ausgebautes schulisches Sondersystem.
Die meisten Kinder und Jugendlichen mit geistigen Behinderungen, körperlichen Behinderungen, Sinnesbeeinträchtigungen und komplexen Behinderungen werden hier unterrichtet.
Eine Änderung daran ist nicht in Sicht.
Und scheint nun auch von Seiten der Gewerkschaft GEW Hamburg nicht mehr länger gewollt.
Das ist für mich ein Armutszeugnis im Hinblick auf Demokratie und Menschenrechte.
Zwei Jahre lang haben Erziehungswissenschaftler der Universität Oldenburg zur Schulbegleitung in Hamburg geforscht.
Ihr Abschlussbericht ermöglicht erstmals umfassende Einblicke in die formalen Strukturen und die tatsächliche Umsetzung von Schulbegleitung in unserer Stadt.
Doch was genau haben die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler eigentlich herausgefunden?
1. Die rechtlichen Regelungen in Hamburg sehen Schulbegleitung als nachrangige Leistung der Eingliederungshilfe – nicht als Bildungsangebot.
Hamburgs Schulen haben den Auftrag, die Teilhabe an Bildung und Erziehung für alle Schülerinnen und Schüler sicherzustellen.
Und zwar durch ein individualisiertes Bildungsangebot verbunden mit entsprechenden Maßnahmen.
Reichen die schulischen Angebote und Maßnahmen im Einzelfall nicht aus, kann eine Schulbegleitung beantragt werden.
In Behördensprache heißt das: Die Schulbegleitung ist immer nachrangig.
Eine Schulbegleitung soll es dem einzelnen Schüler ermöglichen, gleichberechtigt am schulischen Alltag und Unterricht teilzunehmen.
Schulbegleitung ist also in erster Linie ein Mittel zur Teilhabe – kein Bildungsangebot.
Das wird oft missverstanden.
Eigentlich ist Schulbegleitung eine personengebundene Leistung der Eingliederungshilfe.
Nämlich im Rahmen der Leistungen zur Teilhabe an Bildung.
Allerdings hat die Stadt Hamburg die Zuständigkeit für diese Leistung an die Behörde für Schule und Bildung übertragen.
2. Es gibt in Hamburg zwei unterschiedliche Verfahren zur Beantragung und Bewilligung von Schulbegleitung.
Was Schulbegleitung angeht, unterscheidet Hamburg zwischen Schülerinnen und Schülern mit komplexen psychosozialen Beeinträchtigungen.
Und Schülerinnen und Schülern mit erheblichem oder umfassendem Unterstützungsbedarf in der geistigen und/oder körperlich-motorischen Entwicklung.
In die Gruppe der Schülerinnen und Schüler mit einer komplexen psychosozialen Beeinträchtigung fallen alle jungen Menschen, die einen sonderpädagogischen Förderschwerpunkt in der emotional-sozialen Entwicklung haben. Viele von ihnen haben zusätzlich den Förderschwerpunkt Lernen.
In die Gruppe der Schülerinnen und Schüler mit erheblichem oder umfassendem Unterstützungsbedarf aufgrund einer Behinderung fallen junge Menschen mit einem Förderschwerpunkt körperlich-motorische Entwicklung und/oder geistige Entwicklung,
Bei Schülerinnen und Schülern mit einer komplexen psychosozialen Beeinträchtigung erfolgt die Beantragung und Bewilligung der Schulbegleitung über die Schulen und die Regionalen Bildungs- und Beratungszentren (ReBBZ).
Bei Schülerinnen und Schülern mit einem Förderschwerpunkt körperlich-motorische Entwicklung und/oder geistige Entwicklung ist die Fachabteilung der Behörde für Schule und Bildung zuständig.
Beide Antrags- und Bewilligungsverfahren werden von vielen Eltern und Lehrkräften als zu aufwendig und wenig transparent beschrieben.
Oft können getroffene Entscheidungen nicht nachvollzogen werden.
3. Die Zahl der Schulbegleitungen ist seit Einführung der schulischen Inklusion in Hamburg enorm gestiegen.
Im Schuljahr 2011/12 wurden in Hamburg rund 460 Schulbegleitungen bewilligt.
Im Schuljahr 2016/17 waren es bereits 1.874 Schulbegleitungen.
Im Schuljahr 2022/23 hatten 2.520 Schülerinnen und Schüler eine Schulbegleitung.
Im Schuljahr 2023/2024 stieg die Zahl der Schulbegleitungen auf 2.608.
Die Zahl der Schulbegleitungen in Hamburg hat sich innerhalb der letzten 12 Jahre also mehr als verfünffacht.
Noch bis 2022 hatten Schüler mit psychosozialen Beeinträchtigungen deutlich häufiger eine Schulbegleitung als Schüler mit Behinderungen.
Inzwischen ist die Zahl der Schulbegleitungen bei beiden Gruppen gleich hoch.
4. Schulbegleitungen werden in Hamburg hauptsächlich im laufenden Unterricht eingesetzt.
Bei der überwiegenden Mehrheit aller Kinder und Jugendlichen mit Schulbegleitung erfolgt die Unterstützung im laufenden Unterricht.
Bei Klassenfahrten und außerschulischen Maßnahmen (wie zum Beispiel Schwimmunterricht, Betriebspraktikum oder Ferienbetreuung) kommen Schulbegleitungen nur in Ausnahmefällen zum Einsatz.
Das gleiche gilt für die Ganztagsbetreuung und den Schulweg.
5. Eine Schulbegleitung dauert in der Regel zwei Jahre.
Die Dauer einer Schulbegleitung beträgt in Hamburg meist zwei Jahre.
Nur in absoluten Ausnahmefällen erstreckt sich eine Schulbegleitung über die gesamte Schulzeit eines Schülers.
Was den Umfang einer Schulbegleitung und die Gültigkeitsdauer des Bewilligungsbescheides angeht, zeigen sich deutliche Unterschiede zwischen Schülern mit einer komplexen psychosozialen Beeinträchtigung und Schülern mit Behinderung.
Einem Schüler mit einer komplexen psychosozialen Beeinträchtigung werden in der Regel 10 Stunden Schulbegleitung pro Woche bewilligt.
Meistens ist die Bewilligung zeitlich befristet. Und zwar auf 3 bis 6 Monate. Allerdings wird sie in der Regel mehrfach verlängert.
Ein Schüler mit Behinderung dagegen erhält im Durchschnitt 20 Stunden Schulbegleitung pro Woche.
Außerdem wird hier die Schulbegleitung jeweils für ein ganzes Schuljahr bewilligt. Eine Verlängerung über ein weiteres Schuljahr ist üblich.
6. Schulbegleitungen finden sowohl in Regelschulen wie auch in Sonderschulen statt.
Obwohl Hamburg gerne die inklusive Zielsetzung von Schulbegleitung betont, bedeutet der Erhalt einer Schulbegleitung nicht automatisch, dass ein Schüler inklusiv beschult wird.
Jede dritte Schulbegleitung in Hamburg findet an einer Sonderschule statt.
Dabei zeigen sich deutliche Unterschiede zwischen den zwei ermittelten Schülergruppen.
Schulbegleitungen für Schülerinnen und Schüler mit komplexen psychosozialen Beeinträchtigungen finden überwiegend an Grundschulen und Stadtteilschulen statt.
Hier unterstützt die Schulbegleitung also tatsächlich bei der inklusiven Beschulung.
Mehr als die Hälfte aller Schülerinnen und Schüler mit körperlichen und/oder geistigen Behinderungen, die Schulbegleitung erhalten, besucht eine Sonderschule.
Nur jede vierte Schulbegleitung findet an einer Grundschule statt, nur jede fünfte an einer Stadtteilschule.
Schulbegleitungen bei jungen Menschen mit körperlichen und/oder geistigen Behinderungen unterstützten also vor allem das Sondersystem und nicht die Inklusion.
An Gymnasien findet Schulbegleitung so gut wie nicht statt.
7. In Hamburg arbeiten sowohl junge Menschen in Freiwilligendiensten wie auch ausgebildete Fachkräfte als Schulbegleitung.
Bei der Bestellung einer Schulbegleitung unterscheidet Hamburg zwischen vier verschiedenen Anforderungsstufen.
Nämlich:
jungen Menschen in Freiwilligendiensten,
sozial erfahrenem Personal,
pädagogisch, pflegerisch oder therapeutisch ausgebildetem Personal und
sozialpädagogisch ausgebildetem Personal.
Innerhalb der einzelnen Anforderungsstufen fehlt es an verbindlichen Vorgaben, welche konkreten Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen angehende Schulbegleitungen mitbringen sollten.
Ganz besonders gilt das für das Anforderungskriterium „sozial erfahren“, bei dem sich quasi so gut wie alles unterbringen lässt.
Bei den meisten Schülerinnen und Schülern mit komplexen psychosozialen Beeinträchtigungenkommen „sozial erfahrene“ Schulbegleitungen zum Einsatz.
Gut jeder vierte Schüler mit einer komplexen psychosozialen Beeinträchtigung hat eine pädagogisch, pflegerisch oder therapeutisch ausgebildete Schulbegleitung. Meist sind das Erzieherinnen und Erzieher.
Nur selten werden Sozialpädagoginnen und Sozialpädagogen als Schulbegleitung eingesetzt, noch seltener junge Menschen in Freiwilligendiensten.
Ganz anders sieht es bei Schülerinnen und Schülern mit körperlicher und/oder geistiger Behinderung aus.
Hier kommen überwiegend junge Menschen in Freiwilligendiensten zum Einsatz.
Bei nur jedem vierten Schüler mit Behinderung gilt die Schulbegleitung als sozial erfahrene Kraft.
Schulbegleitungen mit einer pädagogischen, pflegerischen, therapeutischen oder gar sozialpädagogischen Ausbildung bleiben bei Schülerinnen und Schülern mit Behinderung die Ausnahme.
8. Hamburgs Schulbegleitungen sind nicht bei einer Schule angestellt, sondern bei externen Leistungsanbietern.
Benötigt ein Schüler eine Schulbegleitung, meldet seine Schule den Bedarf bei einem externen Leistungsanbieter an.
Der Leistungsanbieter sucht eine für den Schüler geeignete und ausreichend qualifizierte Schulbegleitung und stellt sie der Schule zur Verfügung.
Angestellt bleibt die Schulbegleitung beim Leistungsanbieter.
Der Arbeitsvertrag einer Schulbegleitung ist meist auf wenige Monate bis maximal ein Schuljahr befristet.
Geht ein Schüler wegen Krankheit oder Ferien nicht zur Schule, erhält die Schulbegleitung oftmals kein Geld.
Diese Rahmenbedingungen machen die Arbeit als Schulbegleitung wenig attraktiv.
Im Schuljahr 2018/2019 gab es in Hamburg 88 verschiedene Leistungsanbieter für Schulbegleitungen.
Etwas mehr als die Hälfte von ihnen bot ausschließlich Schulbegleitungen für Kinder und Jugendliche mit komplexen psychosozialen Beeinträchtigungen an.
9. Die Hamburger Schulbehörde führt eine umfangreiche Datenbank zur Schulbegleitung.
Seit dem Schuljahr 2016/2017 werden in Hamburg alle Anträge auf Schulbegleitung in einer Datenbank erfasst.
Diese Datenbank enthält Angaben:
über das für die beantragte Schulbegleitung zuständige Regionale Bildungs- und Beratungszentrum (einschließlich Bezirk),
über das Geschlecht, die Schulform, die Schule und die Klassenstufe der Schüler, für die Schulbegleitung beantragt wird,
über den vorrangigen sonderpädagogischen Förderbedarf und den weiteren sonderpädagogischen Förderbedarf der Schüler,
über das Schuljahr und das Anfragedatum,
über die rechtlichen Grundlagen der Schulbegleitung,
darüber, ob der Antrag auf Schulbegleitung bewilligt oder abgelehnt wurde,
über den Stundenumfang, die Förderdauer und das Kostensatzniveau der bewilligten Schulbegleitung.
über den Leistungsanbieter der Schulbegleitung sowie
über die Qualifizierung und Qualifikation der Schulbegleitung.
Mit dieser Datenbank verfügt Hamburg – anders als die meisten Bundesländer – über eine gute Datenbasis und Berichterstattung zur Schulbegleitung.
10. Schulbegleitungen sind meistens weiblich und ansonsten sehr verschieden.
Die Gruppe der Schulbegleiterinnen und Schulbegleiter in Hamburg ist äußerst heterogen.
Die Altersspanne bei Schulbegleitungen beginnt mit der Volljährigkeit und reicht bis ins Rentenalter.
Es gibt Schulbegleitungen mit Abitur und Hochschulabschluss.
Und Schulbegleitungen ohne Ausbildung.
Ein Teil der Schulbegleiter ist pädagogisch ausgebildet.
Andere haben zuvor noch nie im pädagogischen Bereich gearbeitet.
Nur eins haben Hamburgs Schulbegleitungen gemeinsam: Sie sind meistens weiblich.
11. Vieles in Sachen Schulbegleitung ist in Hamburg nicht ausreichend geklärt.
Die Studie der Universität Oldenburg hat deutlich gemacht: Vieles in Sachen Schulbegleitung ist in Hamburg nicht ausreichend geklärt.
Das betrifft vor allem
die Auswahl und Qualifikation von Schulbegleitungen,
die Einarbeitung und Weiterbildung von Schulbegleitungen,
das Vertretungssystem für Schulbegleitungen,
die Aufgaben und Tätigkeitsfelder von Schulbegleitung,
die Ziele und Zielgruppen von Schulbegleitung sowie
die Rolle und Stellung von Schulbegleitung im Gesamtsystem Schule.
Durch diese Unklarheiten haben sich sehr unterschiedliche Erwartungshaltungen an Schulbegleitung entwickelt, die im schulischen Alltag zu oft nicht erfüllt werden.
Das führt zu einer großen Unzufriedenheit. Und zwar auf allen Seiten.
Viele Lehrerinnen und Lehrer empfinden Schulbegleitung inzwischen als Belastung. Sie wünschen sich eine deutlich bessere Vorbereitung und Fachlichkeit bei Schulbegleitern.
Viele Eltern sind enttäuscht bis verärgert, weil sie ihre Kinder nicht ausreichend unterstützt und gefördert sehen. Sie hatten gehofft, durch eine Schulbegleitung nähmen ihre Kinder endlich an Bildung teil.
Viele Schulbegleiterinnen und Schulbegleiter fühlen sich überfordert und zu wenig wertgeschätzt. Ihnen fehlt eine längerfristige Perspektive. Viele von ihnen geben schnell wieder auf.
Zu viele Schülerinnen und Schüler nehmen nach wie vor nur eingeschränkt bis gar nicht am Unterricht teil, wenn ihre Schulbegleitung fehlt.
Die große Unzufriedenheit über Schulbegleitung führt inzwischen sogar dazu, dass manche die schulische Inklusion in Hamburg insgesamt in Frage stellen oder gar für gescheitert erklären.
Genau das bringt uns zum Kern des eigentlichen Problems.
Schulbegleitung allein macht noch keine Inklusion.
Schulbegleitung ist „nur“ das Hilfsmittel, damit ein Schüler mit Beeinträchtigung gleichberechtigt am Unterricht teilnehmen kann.
Wenn eine Schule ein gutes, individualisiertes Unterrichtsangebot hat, kann eine Schulbegleitung auch gut unterstützen.
Der Hamburger Senat betont oft und gerne, wie erfolgreich die schulische Inklusion in der Hansestadt sei.
Rhetorisch mag das vielleicht überzeugen. Wissenschaftlich belegt ist es nicht.
Leider versäumt es die Evaluation der Universität Oldenburg, neben der Schulbegleitung auch die inklusive Schulentwicklung in Hamburg genauer zu untersuchen.
Ja, es gibt in Hamburg inklusive Schulen, die sehr erfolgreich sind.
Am 6. September tagte der Hamburger Schulausschuss.
In einer öffentlichen Sitzung im Rathaus ging es um den Stand der Inklusion in Hamburgs Schulen.
Sechs Experten waren geladen.
Aus den Bereichen Schule, Wissenschaft, Sonderpädagogik, Zivilgesellschaft und Elternvertretung.
So sollte eine fachlich fundierte und differenzierte Diskussion ermöglicht werden.
Tatsächlich ging es in der gesamten Sitzung sehr fachlich zu.
Viele wichtige Aspekte wurden behandelt.
Und es gab viele kluge Fragen und Antworten.
Hamburg wurde gelobt für sein klares Bekenntnis zur Inklusion.
Und für die Fortschritte, die die Stadt im Bereich der schulischen Inklusion bereits erzielt habe.
Hamburg wurde aber auch aufgefordert, in Sachen Inklusion nicht stehen zu bleiben.
Denn trotz der vielen Ressourcen, die Hamburg in den letzten Jahren in den inklusiven Umbau seines Schulsystems investiert hat, arbeiten noch längst nicht alle Schulen inklusiv.
Eins allerdings wurde in der gesamten Debatte außer acht gelassen.
Nämlich die Frage:
Was bedeutet eigentlich Inklusion im Sinne der UN-Behindertenrechtskonvention?
Und was genau heißt das für Schulen?
Beider Staatenprüfung vor einem Jahr in Genf hat der UN-Fachausschuss für die Rechte von Menschen mit Behinderungen sehr deutlich erklärt:
Deutschland hält nach wie vor an seinen Sondersystemen für Menschen mit Behinderungen fest.
Damit verstößt Deutschland gegen die UN-Behindertenrechtskonvention.
Auch Hamburg hat nach wie vor ein gut ausgebautes schulisches Sondersystem.
Bestehend aus 26 staatlichen Sonderschulen (einschließlich der Bildungsabteilungen an den Regionalen Bildungs- und Beratungszentren) und 5 privaten Sonderschulen.
Dass dieses Sondersystem nicht vereinbar ist mit der UN-Behindertenrechtskonvention, dazu gab es in der gesamten Sitzung kein einziges Wort.
Weder von den geladenen Experten noch von den Mitgliedern des Schulausschusses.
Im Gegenteil:
Einige Experten lobten ausdrücklich „Hamburgs großartiges Elternwahlrecht“.
Dabei haben das Deutsche Institut für Menschenrechte und die Monitoring-Stelle UN-Behindertenrechtskonvention in Berlin längst klar gemacht:
Ein Elternwahlrecht ist nicht vereinbar mit der UN-Behindertenrechtskonvention.
Wenn, dann dürfte es höchstens ein Schülerwahlrecht geben.
Und das auch nur, wenn Schülerinnen und Schüler tatsächlich eine echte Wahlfreiheit haben.
Mit der UN-Behindertenrechtskonvention wurde auch die Sicht auf Behinderung neu definiert.
Nicht mehr ein Mensch an sich ist behindert.
Sondern ein Mensch wird behindert.
Und zwar durch das Wechselspiel von individuellen Beeinträchtigungen und einstellungs- und umweltbedingten Barrieren.
Diese menschenrechtliche Sicht auf Behinderung wurde in der gesamten Ausschuss-Sitzung viel zu selten berücksichtigt.
Dabei hat sie entscheidende Konsequenzen für die Umsetzung von inklusiver Bildung.
Es geht nämlich nicht mehr länger darum, welche Beeinträchtigungen und Defizite ein Kind hat.
Sondern es geht um die Frage:
Was braucht ein Kind, um bestmöglich an Bildung teilhaben zu können?
Diese Frage muss für jedes Kind gestellt werden. Und zwar unabhängig von Geschlecht, Herkunft, Religion oder eben einer Behinderung.
Denn:
Inklusion unterscheidet nicht mehr nach Kategorien und Gruppen. Inklusion bezieht alle mit ein.
In der Diskussion im Schulausschuss ging es ausschließlich um Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischen Förderbedarfen.
Entweder im Bereich Lernen, Sprache und emotional-soziale Entwicklung.
Oder im Bereich kognitive und körperlich-motorische Beeinträchtigungen.
Es ging um Diagnostik und um die Zuordnung zu sonderpädagogischen Förderschwerpunkten, die über Art und Umfang der Förderung entscheiden.
Solch ein Ansatz, der zwischen behindert und nicht-behindert unterscheidet, widerspricht den Grundsätzen der UN-Behindertenrechtskonvention.
Ein weiterer zentraler Aspekt fehlte in der gesamten Diskussion:
Inklusion ist keine Frage des Wollens.
Inklusion ist ein Menschenrecht.
Damit steht Inklusion über der Selbstbestimmung von Schulen.
Im Klartext heißt das:
Nicht die einzelne Schule entscheidet darüber, ob sie Inklusion möchte oder nicht.
Jede Schule ist zur Inklusion verpflichtet.
Ein klares Bekenntnis zur Inklusion bedeutet, die Vorgaben der UN-Behindertenrechtskonvention konsequent umzusetzen.
Dazu gehört auch der Abbau schulischer Sondersysteme.
Diesen Schritt scheint Hamburg nach wie vor nicht gehen zu wollen.
Nun ist sie endlich öffentlich: die Evaluation der Hamburger Schulbegleitung!
Ihr erinnert euch?
Vor drei Jahren erhielt die Universität Oldenburg vom Hamburger Senat den Auftrag, Schulbegleitungen in Hamburg zu untersuchen.
Und zwar verbunden mit den Fragen:
Wie sieht die Gruppe der Schülerinnen und Schüler aus, die in Hamburg Schulbegleitung erhält?
Wie sieht die Gruppe der Schulbegleiterinnen und Schulbegleiter aus?
Wie sehen die formalen Merkmale der Schulbegleitungen aus?
Welche Erwartungen werden an Schulbegleitungen gestellt? Wie werden sie wahrgenommen?
Welche Stärken und Schwächen hat das gegenwärtige Verfahren der Schulbegleitungen?
Wie lassen sich Schulbegleitungen in Hamburg verbessern?
Zwei Jahre lang (von Anfang 2022 bis Ende 2023) haben Erziehungswissenschaftlerinnen und Erziehungswissenschaftler der Universität Oldenburg zu diesen Fragen geforscht.
Im Juni 2024 haben sie dem Senat ihren fertigen Abschlussbericht vorgelegt.
Danach sah es zunächst so aus, als würde der Bericht für längere Zeit in nicht-öffentlichen Fächern der Schulbehörde verschwinden.
Zur internen Auswertung – so hieß es vom Senat.
Im Juli hat sich der Senat dann doch dazu entschieden, den fertigen Abschlussbericht im Transparenzportal der Stadt Hamburg zu veröffentlichen.
Die Überraschung war groß, als ich vor einigen Tagen unseren Briefkasten öffnete.
Ein Brief vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales lag darin.
Mit der lange ersehnten Antwort auf unseren Offenen Brief!
Ich bin ehrlich: Ich selbst hatte eine Antwort längst abgeschrieben.
Immerhin ist es fast ein halbes Jahr her, dass wir unseren Offenen Brief in Berlin übergeben haben. Und zwar an das Bundesministerium für Arbeit und Soziales und an das Bundesministerium für Bildung und Forschung.
Doch nun ist die Antwort darauf endlich da. Und das ist gut so.
Zwar steht in der Antwort nicht:
Die Bundesregierung plant, bis 2030 alle Förderschulen in Deutschland abzuschaffen.
So etwas zu erwarten, wäre auch nicht realistisch gewesen.
Aber die Antwort zeigt:
Beide Bundesministerien haben sich bewegt!
Beide Bundesministerien haben unser Anliegen und damit das Menschenrecht auf inklusive Bildung doch noch ernst genommen und nicht mehr länger ignoriert.
Beide Bundesministerien haben miteinander gesprochen und tatsächlich gemeinsam geantwortet.
Beide Bundesministerien geben zu, dass Deutschland auch 15 Jahre nach der Ratifizierung der UN-Behindertenrechtskonvention immer noch „vor wesentlichen Herausforderungen auf dem Weg in ein durchweg inklusives Bildungssystem “ steht.
Beide Bundesministerien scheinen die Abschließenden Bemerkungen aus Genf ernst zu nehmen.
Und: Es heißt nicht mehr länger „Bildung ist ausschließlich Ländersache“.
So wie noch vor wenigen Monaten.
Stattdessen erklären die Vertreterinnen beider Bundesministerien:
„Die Bundesregierung unterstützt die Länder nach Kräften bei der Umsetzung der inklusiven Bildung.“
Fachlich zuständig für Inklusive Bildung ist das Bundesministerium für Bildung und Forschung.
Konkret unternommen hat dieses Ministerium bislang kaum etwas, um die Umsetzung von inklusiver Bildung in Deutschland voranzutreiben.
In der Antwort aus Berlin wird darauf hingewiesen, dass das Bundesministerium für Bildung und Forschung gezielte Forschungsförderung betreibe im Bereich der inklusiven Bildung.
Doch Forschungsförderung alleine reicht nicht aus, um inklusive Bildung endlich umzusetzen.
Der UN-Fachausschuss für die Rechte von Menschen mit Behinderungen hat in seinen abschließenden Bemerkungen konkrete nächste Schritte vorgeschlagen.
Die Antwort aus Berlin weist auf den demnächst beginnenden Follow-upProzess hin.
Im Follow-up Prozess wird die Umsetzung der UN-Empfehlungen genau überprüft.
Und zwar unter enger Beteiligung der Verbände von Menschen mit Behinderungen und der Zivilgesellschaft.
Und das sind auch wir!
Hier werden wir als Eltern weiter ansetzen und euch auf dem laufenden halten.
Versprochen!
Wir Eltern von #WirWarenInGenf werden dran bleiben und nicht locker lassen.
Am 26. März 2009 hat Deutschland die UN-Behindertenrechtskonvention unterzeichnet.
15 Jahre später ist unser Land immer noch meilenweit entfernt von einer erfolgreichen Umsetzung vieler der in der UN-Behindertenrechtskonvention festgeschriebenen Menschenrechte.
Darum habe ich heute folgende Pressemitteilung zum Stand der inklusiven Bildung in Hamburg verschickt:
Pressemitteilung
22. März 2024
15 Jahre UN-Behindertenrechtskonvention, 15 Jahre inklusive Bildung
In Hamburg immer noch kein Grund zum Feiern
Hamburgs Schulen sind noch weit davon entfernt, tatsächlich inklusiv zu sein
Was die Umsetzung von inklusiver Bildung angeht, gilt Hamburg im Vergleich zu anderen Bundesländern als sehr erfolgreich.
Trotzdem ist die Stadt auch 15 Jahre nach Unterzeichnung der UN-Behindertenrechtskonvention immer noch weit entfernt von einem inklusiven Bildungssystem für alle.
Seit mehreren Jahren stagniert Hamburgs Exklusionsquote. Die Schulbehörde geht davon aus, dass sich hieran bis 2035 nichts ändern wird.
Die allermeisten Kinder und Jugendlichen, die in Hamburg inklusiv beschult werden, besuchen Grundschulen und Stadtteilschulen. An Gymnasien findet Inklusion nach wie vor kaum statt.
Immer noch gibt es in Hamburg ein gut ausgebautes schulisches Sondersystem. Bestehend aus 26 staatlichen Sonderschulen und 5 privaten Sonderschulen.
Mehr als die Hälfte aller Hamburger Schülerinnen und Schüler mit geistigen Behinderungen, körperlichen Behinderungen, Sinnesbeeinträchtigungen und komplexen Behinderungen besucht nach wie vor eine Sonderschule.
Entscheiden sich die Eltern dieser Kinder für eine inklusive Beschulung, stehen ihnen dafür nur sogenannte Schwerpunktschulen offen.
Nur 68 von 380 Hamburger Regelschulen sind Schwerpunktschulen. Nur wenige davon haben sich bislang intensiv damit beschäftigt, schuleigene Konzepte für eine inklusive Schule und eine individualisierte Unterrichtsgestaltung zu erarbeiten. Die Gefahr ist groß, dass die gemeinsame Beschulung von Kindern mit und ohne Behinderungen zu einer neuen Sonderform wird in einem ansonsten weiterhin nicht inklusivem Regelsystem.
Der neue Hamburger Landesaktionsplan 2023 zeigt: Hamburg will weiterhin am sogenannten Elternwahlrecht und damit am schulischen Sondersystem festhalten. Anstelle eines inklusiven Umbaus des gesamten Bildungssystems plant die Stadt, ihr schulisches Sondersystem zu überarbeiten und zu „verbessern“.
Erst im vergangenen Sommer ist Deutschland von der UNO zum zweiten Mal in einer Staatenprüfung heftig kritisiert worden:
Nach wie vor gebe es in Deutschland zu viele Sonderschulen und zu viele Probleme bei der inklusiven Beschulung von Kindern mit Behinderungen.
Der UN-Fachausschuss für die Rechte von Menschen mit Behinderung hat die Bundesregierung mit Nachdruck dazu aufgefordert, den inklusiven Umbau des gesamten Bildungssystems deutlich zu beschleunigen.
Vor allem die Bundesländer müssten endlich konkrete Aktionspläne erstellen, die tatsächlich mit den Vorgaben der UN-Behindertenrechtskonvention übereinstimmen.
Dies kommt einer beispiellosen Bloßstellung der Länder gleich.
Die Länder haben der UN-Behindertenrechtskonvention bereits am 19. Dezember 2008 einstimmig und verbindlich im Bundesrat zugestimmt. Trotzdem verzögern und verschleppen sie seitdem in ihrer Schulpolitik die notwendige inklusive Schulreform.
Eltern behinderter Kinder aus mehreren Bundesländern haben jüngst in einem Offenen Brief – unterstützt von mehr als 140 Organisationen – die Bundesregierung aufgefordert, Druck auf die säumigen Landesregierungen aufzubauen.
Erst vor wenigen Tagen hat der Europarat seinen Staatenbericht zur Menschenrechts-Lage in Deutschland veröffentlicht. Darin kritisiert er, dass ein selbstbestimmtes Leben behinderter Menschen und die Inklusion in Deutschland nach wie vor durch ausgrenzende Strukturen wie Sonderschulen und Werkstätten für behinderte Menschen äußerst erschwert sind.
Gemeinsam mit Eltern aus ganz Deutschland habe ich bei der 2. deutschen Staatenprüfung 2023 vor der UN in Genf demonstriert. Gleich mehrere Mitglieder des Uno-Fachausschusses für die Rechte von Menschen mit Behinderungen solidarisierten sich mit uns. Hier der Schweizer Markus Schefer, Professor für Staats- und Verwaltungsrecht an der Universität Basel. (Copyright Inklusion-in-hamburg.de)
Immer mehr Eltern in Hamburg kehren der schulischen Inklusion den Rücken zu.
Zu wenig Ressourcen, zu wenig Förderung und zu wenig Verlässlichkeit, so heißt es von allen Seiten.
Gleichzeitig bemängeln erste Eltern an Sonderschulen, dass auch dort immer mehr Sonderpädagogen und Fachkräfte fehlen.
Dies zeigt:
Ein dauerhaftes Vorhalten von Sondersystem und Regelsystem, wie es Hamburg langfristig plant, ist angesichts von Lehrermangel und knapper Kassen zum Scheitern verurteilt.
Außerdem verstößt es gegen die UN-Behindertenrechtskonvention.
Hamburgs Senat ist aufgefordert
sich klar zur UN-Behindertenrechtskonvention zu bekennen und sich mit Nachdruck und verbindlich für die vollständige Umsetzung von inklusiver Bildung einzusetzen.
das Ergebnis der Staatenprüfung ernst zu nehmen und einen wirksamen Aktionsplan fürden Ausbau inklusiver Schulen vorzulegen.
Dieser Aktionsplan muss einen konkreten Zeitplan enthalten, bis wann der inklusive Umbau des gesamten Schulsystems abgeschlossen sein soll.
Er muss die notwendigen Maßnahmen für Schulentwicklung, Qualität und Personal enthalten und koordinieren.
Und er muss klare Verantwortlichkeiten für die Steuerung der inklusiven Entwicklung benennen sowie eine ausreichende Finanzierung hinterlegen.
Alle Bundesländer – und damit auch Hamburg – müssen endlich die Vorgaben der UN-Behindertenrechtskonvention erfüllen und den Übergang vom Sonderschulsystem in ein inklusives Regelschulsystem zeitnah und verbindlich umsetzen.
Nach der letzten Staatenprüfung im August 2023 zeigte sich der UN-Ausschuss für die Rechte von Menschen mit Behinderungen äußerst besorgt über die unzureichende Umsetzung von inklusiver Bildung in Deutschland.
Ganz besonders kritisierte er die weite Verbreitung von Förderschulen und Förderklassen.
Und die vielen Probleme, auf die behinderte Kinder, Jugendliche und ihre Familien stoßen, wenn sie sich für eine inklusive Beschulung entscheiden.
Im Landesaktionsplan wird zunächst die Entwicklung der schulischen Inklusion seit ihrer Einführung im Jahr 2012 vorgestellt.
Das ganze liest sich wie eine reine Erfolgsgeschichte.
Tatsächlich hat Hamburg im Vergleich mit anderen Bundesländern eine bemerkenswerte Entwicklung hingelegt.
Allerdings:
Die Stadt ist immer noch weit entfernt von einem inklusiven Schulsystem für alle.
Nach wie vor gibt es in Hamburg ein gut ausgebautes schulisches Sondersystem. Bestehend aus 26 staatlichen Sonderschulen und 5 privaten Sonderschulen.
Hier werden rund 40 Prozent aller Schülerinnen und Schüler mit Förderbedarfen unterrichtet. Mit steigender Tendenz.
Die allermeisten Kinder und Jugendlichen, die in Hamburg inklusiv beschult werden, besuchen Grundschulen und Stadtteilschulen. An Gymnasien findet Inklusion dagegen nach wie vor kaum statt.
Bereits seit mehreren Jahren stagniert die jährliche Exklusionsquote. Das heißt: Der Anteil der Schülerinnen und Schüler an Sonderschulen geht im Vergleich zu allen Hamburger Schülern nicht weiter zurück.
Die Hamburger Schulbehörde geht davon aus, dass sich hieran bis mindestens 2035 nichts ändern wird.
Die meisten Kinder und Jugendlichen mit geistigen Behinderungen, körperlichen Behinderungen, Sinnesbeeinträchtigungen und komplexen Behinderungen nehmen an inklusiver Bildung nach wie vor nicht teil.
Als Schülerinnen und Schüler mit speziellen Förderbedarfen werden sie überwiegend an Sonderschulen unterrichtet.
Im Schuljahr 2023/24 besuchten 2588Schüler mit speziellen Förderbedarfen Sonderschulen.
Nur 1650 Schüler mit speziellen Förderbedarfen wurden inklusiv an Regelschulen unterrichtet.
Zum Vergleich:
Zu Beginn der schulischen Inklusion 2012/13 besuchten 1986 Schüler mit speziellen Förderbedarfen Sonderschulen und 1326 Regelschulen.
Außerdem steigt seit einigen Jahren die Zahl autistischer Schülerinnen und Schüler an Sonderschulen.
Das gleiche gilt für Schülerinnen und Schüler mit dem Förderschwerpunkt Emotional-soziale Entwicklung, unter ihnen viele mit FASD.
Nur Schülerinnen und Schüler mit den Förderschwerpunkten Lernen und Sprache konnten bislang mehrheitlich von der schulischen Inklusion profitieren. Sie werden inzwischen überwiegend an Regelschulen unterrichtet.
Dies alles zeigt:
Hamburgs angeblich so erfolgreiche Inklusion ist bislang nur eine sehr eingeschränkte Inklusion.
Weite Teile des Hamburger Schulsystems sind weiterhin auf Absonderung und Trennung ausgerichtet.
Was plant Hamburg in Sachen schulische Inklusion?
1. Hamburg will an seinen Sonderschulen festhalten.
Damit Eltern behinderter Kinder weiterhin eine Wahl haben zwischen Sonderschule und Regelschule, will Hamburg am Sonderschulsystem festhalten.
Dies steht im Widerspruch zur UN-Behindertenrechtskonvention.
Die UN-Behindertenrechtskonvention sagt klar und deutlich:
Alle Kinder und Jugendlichen sollen gemeinsam unterrichtet werden.
Nach der Staatenprüfung im August 2023 hat der UN-Ausschuss Deutschland dazu aufgefordert, einen umfassenden Plan zu erstellen, wie der Übergang vom Sonderschulsystem in ein inklusives Regelschulsystem möglichst zügig umgesetzt werden kann.
Und zwar mit einem konkreten Zeitrahmen.
Mit der Zuweisung von personellen, technischen und finanziellen Ressourcen.
Und mit klaren Verantwortlichkeiten für die Umsetzung und Überwachung.
Darüber verliert der Hamburger Landesaktionsplan kein einziges Wort.
Stattdessen reduziert sich Hamburgs Planung darauf, „dass der Besuch einer allgemeinen Schule einen Mehrwert gegenüber anderen Schulformen bieten muss – durch konsequent gelebte Inklusion und ein positives Schulerlebnis besonders auch für Menschen mit Behinderungen.“
Als Mutter eines Kindes mit Behinderung bin ich fassungslos.
Bei inklusiver Bildung geht es um viel mehr als „positive“ Schulerlebnisse für Menschen mit Behinderungen.
Es geht um bestmögliche Bildung für alle.
Damit alle jungen Menschen ihre Persönlichkeit, ihre Begabungen und ihre Kreativität sowie ihre geistigen und körperlichen Fähigkeiten voll entfalten können.
2. Hamburg will Schwerpunktschulen weiter stärken.
Hamburg hat das Recht auf inklusive Beschulung in seinem Schulgesetz festgeschrieben.
Allerdings bedeutet das nicht automatisch, dass behinderte Kinder und deren Eltern die freie Schulwahl haben.
Kinder und Jugendliche mit speziellen Förderbedarfen sollen an sogenannten Schwerpunktschulen unterrichtet werden.
Schwerpunktschulen sind Schulen, die als besonders erfahren und ausgestattet gelten, was den Unterricht von Schülerinnen und Schülern mit Behinderungen angeht.
Fast alle Schwerpunktschulen haben bereits vor Einführung der Inklusion mit Integrationsklassen und integrativen Regelklassen gearbeitet.
Insgesamt gibt es in Hamburg 68 Schwerpunktschulen.
Nämlich 40 Grundschulen und 28 Stadtteilschulen, die sich sehr ungleichmäßig über das Stadtgebiet verteilen.
183 Grundschulen, 55 Stadtteilschulen und 74 Gymnasien sind keine Schwerpunktschulen.
Das bedeutet:
Nur jede 5. Hamburger Schule ist eine Schwerpunktschule.
Bereits der Landesaktionsplan 2019 sah vor, Schwerpunktschulen zu stärken.
Unter dem Namen „möglichmacher*“ entwickelte die Schulbehörde ein Modellprojekt, um ausgewählte Schwerpunktschulen bei ihrer inklusiven Schulentwicklung zu stärken und zu unterstützen.
An diesem Projekt beteiligten sich bislang 7 Grundschulen und 4 Stadtteilschulen.
Im neuen Landesaktionsplan bleibt offen, ob die Maßnahme „Schwerpunktschulen stärken“ diesmal alle Schwerpunktschulen mit einschließt.
Oder ob sie sich erneut nur auf ausgewählte Schwerpunktschulen konzentriert.
Sicher ist:
Nur ein kleiner Teil aller Hamburger Schwerpunktschulen scheint sich bislang intensiv damit beschäftigt zu haben, schuleigene Konzepte für eine inklusive Schule und eine individualisierte Unterrichtsgestaltung zu erarbeiten.
Dies erklärt auch, warum Eltern von inklusiv beschulten Kindern immer wieder über Schwierigkeiten berichten: bei Nachteilsausgleichen und Förderplanung, beim zieldifferenzierten Unterricht, bei der Zuweisung von Ressourcen oder der Zusammenarbeit mit Therapeuten.
Grundsätzlich halte ich das Konzept der Schwerpunktschulen für problematisch.
Zum einen geht es von einem medizinisch geprägten Behinderungsbegriff aus, der Beeinträchtigungen als Defizite ansieht.
Aufgrund dieser „Beeinträchtigungen“ sollen Schülerinnen und Schüler mit speziellen Förderbedarfen nur an besonders ausgestatteten Schulen oder spezialisierten Sonderschulen unterrichtet werden.
Zum andern ist die Gefahr groß, dass Schwerpunktschulen zu inklusiven Sonderformen werden in einem ansonsten weiterhin nicht inklusivem Regelsystem.
3. Verbesserung der Beratungs- und Bildungsangebote
Der Landesaktionsplan 2023 sieht vor, Beratungsangebote und Bildungsangebote für Familien mit behinderten Kindern deutlich zu verbessern.
Und zwar über einen auf 5 Jahre angelegten Organisationsentwicklungsprozess.
Zuständig für den geplanten Organisationsentwicklungsprozess sind die speziellen Sonderschulen, die Regionalen Bildungs- und Beratungszentren und das Bildungs- und Beratungszentrum Pädagogik bei Krankheit/Autismus.
Ziel des Organisationsentwicklungsprozesses ist es, Strukturen und Prozesse der speziellen Sonderschulen und Beratungszentren zu überarbeiten und neu aufzustellen:
um individuelle und flexible Bildungsverläufe zu ermöglichen und Bildungschancen zu vergrößern,
um die Teilhabe an Bildung und sozialem Miteinander zu verbessern,
und um die Zusammenarbeit untereinander sowie mit verschiedenen Professionen zu intensivieren und zu erweitern.
Es sollen also die speziell für Schülerinnen und Schüler mit Förderbedarfen gedachten besonderen Bildungs- und Beratungsangebote neu gestaltet und verbessert werden.
Allerdings: So funktioniert keine Inklusion.
Inklusion bedeutet nicht, das Sondersystem umzugestalten.
Inklusion bedeutet, das Gesamtsystem Schule von Grund auf umzubauen und inklusiv zu gestalten.
4. Verbesserung der Barrierefreiheit
Bereits der erste Landesaktionsplan aus dem Jahr 2012 sah vor, die bauliche Barrierefreiheit an Hamburgs Schulen zu verbessern.
Seitdem betont der Senat gerne und regelmäßig, dass er jedes Jahr sehr viel Geld investiert, um Hamburgs Schulgebäude barrierefreier zu machen.
Als konkrete Maßnahme im Landesaktionsplan 2023 ist vorgesehen, alle Schulneubauten nach DIN 18040-1 barrierefrei zu planen und zu errichten.
Bei Sanierungen und Umbauten sollen zusätzliche Leistungen zur Barrierefreiheit nach individuellem Bedarf und entsprechend der DIN umgesetzt werden.
Damit knüpft der Landesaktionsplan 2023 nahtlos an die bisherige Schulpolitik des Senats an.
Doch was heißt das genau?
Werden Schulen in Hamburg neu gebaut, erhalten sie gemäß DIN 18040-1 automatisch Aufzüge, barrierefreie Zugänge und behindertengerechte WCs.
Neu gegründete Schwerpunktschulen erhalten außerdem eine zusätzliche Fläche von 24 Quadratmetern pro Zug. Hier können bei Bedarf Pflegeräume eingerichtet werden.
Weitere Bedarfe an Barrierefreiheit sollen zu Beginn der Bauvorhaben in Abstimmung mit der Schule ermittelt werden.
An dieser Stelle lohnt es, etwas tiefer zu gehen.
Und zwar mit der Frage: Welche Kriterien wendet Hamburg an bei der Gestaltung von Barrierefreiheit an Schulen?
In Hamburg werden Schulen als halb-öffentliche Gebäude betrachtet.
Es gibt den öffentlichen Bereich einer Schule. Nämlich das Schulbüro, Gemeinschaftsflächen und die Sporthalle.
Alle übrigen Schulräume werden in erster Linie von Schülern und Lehrern genutzt.
Damit gelten diese Räume aus Sicht der Schulbehörde als nicht öffentlich.
Entsprechend reduzieren sich die Anforderungen an Barrierefreiheit.
Was das bedeutet, zeigt sich bei der Sanierung bereits bestehender Schulen.
Werden bereits bestehende Schulen saniert, erhalten sie behindertengerechte Zugänge zu allen öffentlichen Bereichen.
Also zu Sporthallen, Schulbüros und Gemeinschaftsflächen. Außerdem soll mindestens ein behindertengerechtes WC je Schule geschaffen werden.
Für bestehende Schwerpunktschulen sind darüber hinaus behindertengerechte Zugänge zu Fachräumen, Ganztagsflächen und zu einzelnen Klassenräumen vorgesehen.
Dabei ist jede Schwerpunktschule aufgefordert, geschaffene barrierefreie Räume – je nach Bedarf – bestimmten Klassen oder Jahrgängen zuzuordnen.
Dies bedeutet: Einzelne Gebäude einer Schwerpunktschule müssen nicht unbedingt einen Aufzug erhalten. Oder einen barrierefreien Zugang.
In einem dreigeschossigen Klassenhaus einer bestehenden Schwerpunktschule reicht es zum Beispiel aus, wenn Klassenräume im Erdgeschoss von Schülerinnen und Schülern mit Rollstuhl erreicht werden können.
Insgesamt ist die bauliche Barrierefreiheit an Hamburgs Schulen also erheblich eingeschränkt.
Sie konzentriert sich nur auf ausgewählte schulische Räume.
Und sie konzentriert sich auf ausgewählte Schulen.
Die UN-Behindertenrechtskonvention dagegen fordert klar und deutlich:
Schülerinnen und Schüler mit und ohne Behinderungen müssen gleichberechtig Zugang haben zu allen Schulen und zu allen von Schülern genutzten Räumen.
Von einer umfänglichen Barrierefreiheit, wie sie die UN-Behindertenrechtskonvention fordert, sind Hamburgs Schulen also noch weit entfernt.
Werden die im Landesaktionsplan 2023 vorgesehenen Maßnahmen ausreichen, um Hamburgs Schulen inklusiver zu machen und so der Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention ein gutes Stück näher zu kommen?
Meine Antwort darauf lautet: NEIN.
Denn Hamburg weigert sich weiterhin, sein Sonderschulsystem aufzugeben.
Gleichzeitig baut Hamburg mit seinen Schwerpunktschulen ein neues, vermeintlich inklusives Sondersystem aus.
Beides hat zur Folge, dass an den meisten Hamburger Schulen nach wie vor keine Kinder und Jugendlichen mit Behinderungen zu finden sind.
In Hamburg startet das neue Startchancen-Programm der Bundesregierung.
Es spült der neuen Schulsenatorin Ksenija Bekeris in den nächsten 10 Jahren insgesamt 215 Millionen Euro in die Kasse.
Mit dem Geld sollen sozial benachteiligte Schülerinnen und Schüler beim Lernen der Basiskompetenzen in Deutsch und Mathematik sowie in ihrer Persönlichkeitsentwicklung gefördert werden.
Für mehr Bildungsgerechtigkeit und gute Startchancen für alle.
Geld für Bildung an sich ist eine gute Sache.
Gute Bildung bedeutet mehr gesellschaftliche Teilhabe und bessere Lebenschancen.
Das stärkt die Demokratie und sichert die Zukunft unseres Landes.
Allerdings:
Schülerinnen und Schüler mit Behinderungen werden im bundesweiten Startchancen-Programm – wieder einmal – vergessen.
Gute Startchancen für Menschen mit Behinderungen interessieren die Bundesregierung anscheinend nicht.
Obwohl das Recht auf gleichberechtigte Teilhabe an Bildung für Menschen mit Behinderungen seit 15 Jahren gesetzlich festgeschrieben ist.
Geht es um inklusive Bildung, dann heißt es derzeit von der Bundesregierung:
„Bildung ist Ländersache“.
Gleichzeitig zeigen das Startchancen-Programm und der Digital-Pakt:
Die Bundesregierung kann durchaus Verantwortung übernehmen in Sachen bundesweite Bildung.
So sie denn will.
Seit 4 Monaten warten 140 namhafte Vereine und Verbände und über 1.400 Einzelpersonen vergeblich darauf, dass die Bundesregierung den Offenen Brief #InklusiveBildungJetzt!beantwortet.
In Zeiten zunehmender Politikverdrossenheit und einer gleichzeitigen Radikalisierung in unserer Gesellschaft ein denkbar schlechtes Zeichen.
Dabei bietet inklusive Bildung den Schlüssel für mehr Bildungsgerechtigkeit für alle.
Copyright Inklusion-in-hamburg.de
Übrigens:
Inzwischen habe ich zwei blaue Briefe geschrieben und verschickt.
An die Bundesminister Hubertus Heil und Bettina Stark-Watzinger.
Eltern erhalten „blaue Briefe“ von der Schule, wenn die Versetzung ihrer Kinder gefährdet ist.
Meine blauen Briefe zeigen meine große Enttäuschung über das Schweigen der zwei Minister.
Es kann und darf nicht sein, dass in einem freiheitlich-demokratischen Land wie Deutschland das Menschenrecht auf Inklusion einfach ignoriert wird.
Wollt ihr auch blaue Briefe nach Berlin schicken?
Alle Informationen dazu und auch einen Beispiel- Brief findet ihr hier:
Die Frauen und Männer der Ombudsstelle Inklusive Bildung erhalten und bearbeiten jedes Jahr weit über 100 Anfragen von Eltern und Schülern, die Probleme mit der sonderpädagogischen Förderung haben.
Die zentralen Themen dieser Anfragen haben sich in den letzten zehn Jahren kaum verändert.
Immer wieder geht es um
Probleme bei Nachteilsausgleichen und Förderplanung,
unfreiwillige Schulzeitverkürzungen,
Probleme beim zieldifferenzierten Unterricht,
Probleme bei Schulbegleitungen,
Bildung und Erziehung bei Autismus-Spektrum-Störungen,
Bildung und Erziehung bei Schülerinnen und Schülern mit einer fetalen Alkoholspektrumstörung (FASD),
Zuweisungen zu Schwerpunktschulen.
Die vielen Anfragen weisen auf ein strukturelles Problem der Inklusion in Hamburgs Regelschulen hin.
Nämlich die nach wie vor nicht selbstverständliche Ausgestaltung und Umsetzung eines individualisierten Unterrichts für alle.
Inklusive Bildung denkt vom Kind aus.
Wo steht ein Kind? Was braucht ein Kind?
Und zwar unabhängig von einer Behinderung.
Ziel der inklusiven Bildung ist es, jedes Kind bestmöglich zu fördern.
Damit es später als erwachsener Mensch selbst bestimmt und möglichst selbständig an unserer Gesellschaft teilhaben kann.
Dies umzusetzen ist herausfordernd.
Es bedeutet zum Beispiel eine individuelle Förderplanung für jedes Kind.
An der alle beteiligt sind: Lehrkräfte, Therapeuten, Beratungskräfte, Schulbehörde, Eltern – und auch das Kind.
Bei dieser Förderplanung müssen Toilettengänge und Schulwege genauso selbstverständlich mitgedacht werden wie Kompetenzen in Mathe, Deutsch und Englisch.
Schule muss zu einem Bildungsort für alle werden.
Mit angepassten Unterrichtsmaterialien.
Mit Rückzugsräumen und reizarmen Lernumgebungen.
Mit Therapieräumen und viel Platz zum Bewegen.
Mit überschaubaren Lerngruppen und multi-professionellen Teams.
Das funktioniert nur mit beweglichen Strukturen. Mit Zusammenarbeit und der Bereitschaft, gemeinsam und voneinander zu lernen.
Und zwar auf allen Ebenen: In der Schule, mit Eltern, mit Verwaltung, mit Wissenschaft und Politik.
Um solch ein lernendes System umzusetzen, braucht es einen klaren politischen Willen.
Doch ob der zur Zeit in unserer Stadt gegeben ist?
Die Frauen und Männer der Ombudsstelle wünschen sich bereits seit 2022 von der Schulbehörde, durch Corona ausgesetzte Arbeitsgruppen und den Beirat Inklusion wieder aufzunehmen.
Der gerade vorgestellte Landesaktionsplan 2023 enthält ein klares Bekenntnis zum Festhalten am Sonderschulsystem.
Außerdem soll die Inklusion nicht in allen Regelschulen gleichermaßen gefördert werden.
Sondern nur in den sogenannten Schwerpunktschulen.
Zwar wird im Landesaktionsplan das Ziel formuliert, „dass der Besuch einer allgemeinen Schule einen Mehrwert gegenüber anderen Schulformen bieten muss – durch konsequent gelebte Inklusion und ein positives Schulerlebnis besonders auch für Menschen mit Behinderungen.“
Allerdings bezweifle ich, dass dies jemals Wirklichkeit wird, solange Hamburg an seinen zwei Schulsystemen (Regelschule und Förderschule) festhält.
Wie ist Hamburg bei der Umsetzung von Inklusion in seinen Schulen im Jahr 2023 vorangekommen?
Die Stadt gilt nach wie vor als Vorbild, was schulische Inklusion angeht.
Und im Vergleich mit anderen Bundesländern ist Hamburg sicherlich schon weit gekommen.
Trotzdem ist die Stadt noch weit entfernt von einem inklusiven Schulsystem, wie es die UN-Behindertenrechtskonvention vorsieht.
Nämlich einem Schulsystem, in dem Kinder und Jugendliche mit und ohne Behinderung gemeinsam lernen. Und zwar in einer Schule für alle.
Nach wie vor gibt es in Hamburg ein gut ausgebautes schulisches Sondersystem.
Bestehend aus 26 staatlichen Sonderschulen und 5 privaten Sonderschulen.
Hier wurden im Schuljahr 2022/23 mehr als 4400 Schülerinnen und Schüler exklusiv unterrichtet.
Das waren rund 40 Prozent aller Schülerinnen und Schüler mit Förderbedarfen.
Aus: Das Schuljahr 2022/23 in Zahlen. Das Hamburger Schulwesen. Hrsg. vom Institut für Bildungsmonitoring und Qualitätsentwicklung, Hamburg 2023. Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischen Förderschwerpunkten und speziellen Förderschwerpunkten sind hier zusammengefasst.
An diesen Zahlen hat sich in den letzten fünf Jahren nicht wirklich etwas verändert.
Und so wird es wohl auch in Zukunft bleiben.
Bildungsforscher gehen davon aus, dass die Exklusionsquote in Hamburg bis 2035 bei 2,66 stehen bleibenwird.
Die Exklusionsquote gibt den Anteil der Schülerinnen und Schüler mit Förderbedarfen an, die exklusiv an Sonderschulen unterrichtet werden. Und zwar gemessen an allen Schülerinnen und Schülern mit Vollzeitschulpflicht (Jahrgangsstufen 1 bis 9 bzw. 10).
Bei ihren Berechnungen für Hamburg stützen sich die Bildungsforscher auf Zahlenmaterial, das von der Hamburger Schulbehörde für die Kultusministerkonferenz der Länder zusammengestellt wurde.
Klaus Klemm: Inklusion in Deutschlands Schulen: Eine bildungsstatistische Momentaufnahme 2020/21, Gütersloh 2022, S. 18.
Die Zahlen zeigen:
Bis 2035 wird in Hamburg ein großer Teil von Kindern und Jugendlichen mit Behinderungen weiterhin an Sonderschulen unterrichtet werden.
Damit scheint die Hamburger Politik zufrieden.
Denn:
Hamburg hat zwar das Recht auf Inklusion in seinem Schulgesetz verankert.
Allerdings will die Stadt ihr Sonderschulsystem nicht aufgeben.
Eltern sollen auch in Zukunft wählen können, ob ihr behindertes Kind in einer Regelschule oder in einer Sonderschule beschult wird.
Das verstößt gegen die UN-Behindertenrechtskonvention.
Das Deutsche Institut für Menschenrechte in Berlin stellte bereits 2017 klar:
Die Aufrechterhaltung zweier Schulsysteme lässt sich menschenrechtlich nicht über das Elternwahlrecht rechtfertigen.
Der Staat darf seine Verantwortung für einen schulischen Systemwechsel nicht an Eltern abgeben.
Deutsches Institut für Menschenrechte (Hrsg.): Inklusive Bildung ist ein Menschenrecht. Warum es die inklusive Schule für alle geben muss (Position Nr. 10), Berlin 2017.
Besonders Schülerinnen und Schüler mit speziellen Förderbedarfen werden in Hamburg nach wie vor an Sonderschulen unterrichtet. Und zwar mit steigender Tendenz.
Das zeigt die Schulstatistik 2022/23:
Aus: Das Schuljahr 2022/23 in Zahlen. Das Hamburger Schulwesen. Hrsg. vom Institut für Bildungsmonitoring und Qualitätsentwicklung, Hamburg 2023.
Unter speziellen Förderbedarfe werden die Förderschwerpunkte geistige Entwicklung, körperlich-motorische Entwicklung, Hören, Sehen und Autismus zusammengefasst.
Aus: Das Schuljahr 2022/23 in Zahlen. Das Hamburger Schulwesen. Hrsg. vom Institut für Bildungsmonitoring und Qualitätsentwicklung, Hamburg 2023.
In der Gruppe der Schülerinnen und Schüler mit speziellen Förderbedarfen befinden sich mehrheitlich Kinder und Jugendliche mit geistigen Behinderungen, körperlichen Behinderungen, Sinnesbeeinträchtigungen und komplexen Behinderungen.
Also genau die Kinder und Jugendlichen, die eine zentrale Zielgruppe bei der Umsetzung von inklusiver Bildung sein sollten.
Doch die meisten dieser Kinder und Jugendlichen nehmen an Inklusion nach wie vor nicht teil.
Im Gegenteil.
Im Schuljahr 2022/23 wurden in Hamburg deutlich mehr Schülerinnen und Schüler mit speziellen Förderbedarfen exklusiv an Sonderschulen unterrichtet als zu Beginn der schulischen Inklusion.
Nach der Einführung der schulischen Inklusion haben vor allem Schülerinnen und Schüler mit sogenannten geistigen Behinderungen an Sonderschulen zugenommen.
Gleiches gilt für Schülerinnen und Schüler, die sich keinem der klassischen Förderschwerpunkte zuordnen lassen. Hierunter fallen auch Schülerinnen und Schüler mit Autismusspektrumstörungen.
Außerdem stieg die Zahl der Schülerinnen und Schülern mit dem Förderschwerpunkt Emotional-soziale Entwicklung, die exklusiv an Sonderschulen unterrichtet werden.
Profitieren von der Inklusion konnten dagegen Schülerinnen und Schüler mit den sonderpädagogischen Förderschwerpunkten Lernen und Sprache. Sie werden in Hamburg inzwischen meist an Regelschulen unterrichtet.
Eine ähnliche Entwicklung zeigt sich übrigens auch in den anderen Bundesländern.
Sekretariat der Ständigen Konferenz
der Kultusminister der Länder (Hrsg.):
Sonderpädagogische
Förderung in Schulen
2011 bis 2020, Berlin 2022.Sekretariat der Ständigen Konferenz
der Kultusminister der Länder (Hrsg.):
Sonderpädagogische
Förderung in Schulen
2011 bis 2020, Berlin 2022.
Neben seinem Sonderschulsystem hat Hamburg nach Einführung der schulischen Inklusion auch an einem zweigliedrigen Schulsystem ab Klasse 5 festgehalten.
Stadtteilschulen nehmen seitdem die meisten Schülerinnen und Schüler mit Förderbedarfen auf.
In Gymnasien dagegen fand auch im Schuljahr 2022/23 Inklusion kaum statt.
Diese Mischung von Inklusion und Exklusion in Hamburgs Schulen widerspricht den Vorgaben der UN-Behindertenrechtskonvention.
Im August 2023 prüften die Vereinten Nationen in Genf die Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention in Deutschland.
Das Ergebnis war beschämend.
In fast allen Lebensbereichen ist Deutschland in den letzten 14 Jahren mit der Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention kaum vorangekommen.
Das gilt auch für die inklusive Bildung.
Mehr als die Hälfte aller Kinder und Jugendlichen mit Behinderungen werden in Deutschland nach wie vor in Sonderschulen unterrichtet.
Gemeinsam mit Eltern aus ganz Deutschland demonstrierte ich im August 2023 vor dem Uno-Hauptsitz in Genf. Zur gleichen Zeit fand drinnen die deutsche Staatenprüfung statt.
Was genau geschehen muss, damit Kinder und Jugendliche mit und ohne Behinderungen endlich in ganz Deutschland gemeinsam lernen können, hat der UN-Fachausschuss in seinen abschließenden Bemerkungen klar benannt.
In diesen abschließenden Bemerkungen fordert der UN-Fachausschluss die Bundesregierung, die Landesregierungen und die Kommunen dazu auf:
konkrete Zeitpläne zu erstellen, bis wann schulische Sondersysteme vollständig abgebaut sind.
konkrete Pläne zu erstellen, wie gemeinsame Schulen für alle möglichst zügig umgesetzt werden. Und zwar mit klaren Ressourcenzuweisungen, was Menschen, Technik und Geld angeht.
klar zu benennen, wer für die Umsetzung und Überwachung der Inklusion in Schulen zuständig ist.
Sensibilisierungs- und Bildungskampagnen zu starten. Um inklusive Bildung auf Gemeindeebene und bei den zuständigen Behörden zu fördern.
endlich sicherzustellen, dass alle Kinder mit Behinderungen Regelschulen besuchen können.
Bund und Länder und damit auch Hamburg sind nun gefordert.
Neulich war ich auf einer Veranstaltung von Leben mit Behinderung Hamburg.
Eingeladen war der Hamburger Schulsenator Ties Rabe.
Es ging um ein wichtiges Thema, nämlich Teilhabe an Bildung im Schuljahr 2023/2024:
Wie sind Hamburger Schülerinnen und Schüler mit Behinderungen in das neue Schuljahr gestartet?
Zahlreiche Eltern waren zu der gemeinsamen Diskussion gekommen.
Sie wollten vor allem ihren Ärger loszuwerden:
Ärger über nach wie vor fehlende Schulbegleitungen und überlastete Sonderpädagogen in den Regelschulen.
Aber auch Ärger über fehlende Sonderpädagogen und andere Fachkräfte in den speziellen Sonderschulen.
Den größten Raum nahm das Thema Schulbegleitung ein. Wie schon im letzten Schuljahr waren auch zu Beginn dieses Schuljahres viele Schulbegleiter-Stellen unbesetzt.
Das ist ein wichtiges Thema, das von der Schulbehörde unbedingt gehört werden muss.
Allerdings: Schulbegleitungen allein schaffen noch keine inklusive Bildung.
Selbst Schulsenator Rabe hätte lieber mehr darüber diskutiert, warum es mit der Umsetzung von Inklusion in Hamburgs Regelschulen immer noch so viele Probleme gebe. Obwohl seine Behörde die Zahl der pädagogischen und therapeutischen Stellen dafür massiv erhöht habe.
In der Tat ist dies eine äußerst wichtige Frage.
Denn diese Frage öffnet den Blick darauf, was wir eigentlich unter inklusiver Bildung verstehen.
Auch der Einsatz von zusätzlichen Sonderpädagogen bedeutet nämlich nicht automatisch ein mehr an Inklusion.
Werden Schülerinnen und Schüler mit Behinderungen in Regelschulen ausschließlich von Sonderpädagogen unterrichtet, dann ist das keine inklusive Bildung. Traditionelle Sonderformen der Beschulung bleiben bestehen.
Die Vereinten Nationen haben festgelegt: Jeder Mensch hat das Recht auf inklusive Bildung!
Wie inklusive Bildung aussieht und funktioniert, haben die Vereinten Nationen genau beschrieben.
Inklusive Bildung ist ein Menschenrecht – festgelegt in Artikel 24 der UN-Behindertenrechtskonvention.
Inklusive Bildung bedeutet: Kinder und Jugendliche mit und ohne Behinderungen werden gemeinsam unterrichtet.
Inklusive Bildung stellt sicher: Jeder Mensch erhält die ihm bestmögliche Bildung. Damit er wirksam am Leben in unserer Gesellschaft teilnehmen kann.
Inklusive Bildung erfordert neue Formen des Unterrichts, ausgerichtet an den individuellen Bedarfen der Lernenden.
Inklusive Bildung funktioniert nur, wenn alle, die im Bildungswesen arbeiten, gut darauf vorbereitet werden.
Die Umsetzung von inklusiver Bildung ist ein fortlaufender Prozess.
Dieser Prozess muss regelmäßig überwacht und evaluiert werden.
Auch das schreiben die Vereinten Nationen vor.
Doch genau das passiert in Deutschland viel zu wenig.
Gerade erst hat der Uno-Fachausschuss für die Rechte von Menschen mit Behinderungen angemahnt:
Die deutsche Bundesregierung tut viel zu wenig für die Umsetzung von inklusiver Bildung.
Sie muss endlich Verantwortung übernehmen und die Umsetzung von inklusiver Bildung aktiv vorantreiben.
Es reicht nicht aus zu sagen: Bildung ist Ländersache.
Der Hamburger Schulsenator Rabe erklärte auf der Veranstaltung bei Leben mit Behinderung Hamburg:
Die Hamburger Behörde für Schule und Bildung liefere ausreichend „know how“ und Ressourcen für die Umsetzung von inklusiver Bildung.
Was daraus gemacht werde, sei Sache jeder einzelnen Schule.
Wie auf Bundesebene wird auch hier Verantwortung verschoben. In diesem Fall von der Landesregierung auf die Schulen.
Das darf nicht sein.
Mit der Unterzeichnung der UN-Behindertenrechtskonvention hat sich Hamburg zur Umsetzung von inklusiver Bildung verpflichtet.
Senat und Bürgerschaft müssen endlich einen genauen Fahrplan erstellen, bis wann inklusive Bildung in Hamburg umgesetzt sein soll.
Sie müssen für ausreichende Ressourcen sorgen, damit dieser Fahrplan erfolgreich eingehalten werden kann.
Und sie müssen die Umsetzung dieses Fahrplans regelmäßig kontrollieren und evaluieren.
2009 haben Bund und Länder die UN-Behindertenrechtskonvention unterzeichnet.
Damit haben sich Bundesregierung und Landesregierungen dazu verpflichtet, inklusive Bildung zügig umzusetzen. Und zwar in Form eines inklusiven Schulsystems, in dem junge Menschen mit und ohne Behinderungen gemeinsam lernen.
Hamburg hat als eines von nur zwei Bundesländern das Recht auf inklusive Bildung in seinem Schulgesetz verankert.
Nun sollte Hamburg den inklusiven Umbau seines Schulsystems konsequent weiter führen.
Anstatt Schulen oder Eltern die Verantwortung für inklusive Bildung zuzuschieben.