Winfried Kretschmann nutzte kürzlich in seiner Regierungserklärung im Landtag viele schöne Worte zum Bildungs-Reformpaket, das Baden-Württemberg in den einschlägigen Ländervergleichsstudien wieder nach oben katapultieren soll. Partizipation, Verantwortung oder Gerechtigkeit sind Leitbegriffe. Schüler:innen werden nicht nur vom künftigen allgemeinbildenden G9 profitieren, sondern dazu von einer attraktiveren zweiten Säule neben dem Gymnasium, wie auch immer Haupt-, Werkreal-, Real- und Gemeinschaftsschulen sich künftig in neuen Verbünden und Kooperationen zusammenwürfeln. An Konkretisierungen im Detail fehlt es erheblich. Was mit daran liegt, dass der Druck von vielen Seiten so groß ist.
Nicht einmal erwähnt aber wird eine Gruppe, die besondere Beachtung sehr verdient. In seinen immerhin fast 40 Minuten währenden Überlegungen spart der Ministerpräsident sie stattdessen aus, und die veröffentlichte Meinung über das "politische Wunder" (so die "Stuttgarter Zeitung" über die Einigung der beiden Koalitionsparteien auf einen Kompromiss in der Schulpolitik) macht einen großen Bogen um das Thema Regelunterricht für die, die ihm nicht ohne Unterstützung folgen können. Dass Baden-Württemberg seit Jahren zentrale Versprechen zum inklusiven Lernen bricht, läuft unterm Radar. Bei Terminen mit einschlägigen Verbänden, in Diskussionen, sogar in Antworten auf Protestbriefe versuchen Verantwortliche, den fatalen Rückstand mit Lippenbekenntnissen an den Rand der Wahrnehmung zu drücken. "Ist bei uns in guten Händen" wird getönt oder "Wir wissen um die Herausforderung".
Die Vorteile lassen CDU und FDP links liegen
Wie für alle Versäumnisse im zerklüfteten Schulsystem des Landes gilt für die Umsetzung der 2009 von Deutschland ausdrücklich mit für die Bundesländer unterzeichneten UN-Behindertenrechtskonvention: Hauptverantwortlich für den Reformstau sind CDU und FDP. Überhaupt erst 2015 schafften Grüne und SPD die Sonderschulpflicht ab, öffneten alle Schulen damit für Kinder und Jugendliche mit Behinderung. Monika Stolz, CDU-Sozialministerin bis 2011, war sogar kühn genug, der neuen grün-roten Landesregierung bei der Verabschiedung des Gesetzes vorzuwerfen, sich zu viel Zeit gelassen zu haben. Um die eigenen, in Wahrheit peinlich mageren Modelle und Versuche umso lauter zu loben.
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Dietrich Krauss
am 26.05.2024