FEBRUAR 2024

Die Eule spricht

/// „Was sollen wir denn noch tun, damit das Recht unserer Kinder auf inklusive Bildung Wirklichkeit wird?

Eltern aus ganz Deutschland bauen bei der Staatenprüfung zur UN-BRK in Genf ein Protestcamp auf. Sie schreiben gemeinsam mit über 140 Vereine und Verbänden und über 1.400 Unterstützer*innen einen Offenen Brief. Sie warten vergeblich vier Monate auf Antwort. Und jetzt sind sie wieder hier, vor dem Kanzleramt und bei der Tagung des Bundesbehindertenbeauftragten und sagen:

Der Bund muss endlich die Länder bei der inklusiven Bildung in die Pflicht nehmen! Denn sonst gibt es nur eine Interpretation:

IHR WOLLT ES NICHT!

Fast 15 Jahre schon geht es bei inklusiver Bildung in Deutschland nicht voran. Die Bundesländer machen mal ein Schrittchen voran, dann aber wieder zwei Schritte zurück. Die völkerrechtliche Verpflichtung zum Aufbau eines inklusiven Bildungssystems aus der UN-Behindertenrechtskonvention wird ignoriert. Es werden sogar wieder mehr Förderschulen gebaut. Ob es inklusive Angebote in den Schulen gibt, ist völlig zufällig und wohnortabhängig.

Unsere Kinder sind niemals selbstverständlich willkommen. Denn sie sollen woanders hin: In die Förderschulen. Inklusion? Immer unter Vorbehalt.

Wir fragen: Wie lange soll das noch so gehen? Noch einmal 15 Jahre? Oder noch 30? Oder noch 60?

Die Antworten, die wir aus den Bundesministerien hören, sind immer die gleichen:

• Die Länder sind zuständig. Wir machen da nichts.
• Auf Offene Briefe antworten wir sowieso nie.
• Förderschulen sind doch auch irgendwie inklusiv.

Leugnen, verzögern, umdeuten: Das ist die deutsche Strategie.

Der UN-Fachausschuss, das Deutsche Institut für Menschenrechte und der Bundesbehindertenbeauftragte können noch so viel mahnen: Der Bund steckt den Kopf in den Sand.

UNS REICHT ES!

Und deshalb demonstrieren wir hier in Berlin.

👉 Wer Politikverdrossenheit weiter schüren will,
ignoriert uns auch diesmal.

👉 Wer Kinder mit Behinderung weiter separieren will,
ignoriert uns auch diesmal.

👉 Wer nur über die UN-BRK reden, aber nicht handeln will,
ignoriert uns auch diesmal.

Aber wir werden immer wieder die Hand in die Wunde legen:
IHR WOLLT ES NICHT!

Berlin, 27.2.2024
Die Genf-Elterngruppe und Erstunterzeichnerinnen des Offenen Briefes.“

Medienschau Februar

Geltendes Recht

/// In Berlin hat eine erste Folgekonferenz zur Staatenprüfung Deutschlands stattgefunden. Zur Erinnerung: Dort hatte der UN-Fachausschuss für die Behindertenrechtskonvention Deutschland sehr deutlich aufgefordert, endlich die Sondersystem für Menschen mit Behinderung zurückzufahren und den Ausbau z.B. der inklusiven Bildung deutlich zu beschleunigen.

Bei der Tagung, die vom Bundesbehindertenbeauftragten und dem Deutschen Institut für Menschenrechte veranstaltet wurde, sorgten Eltern aus mehreren Bundesländern für Aufsehen. Im August hatten sie in Genf vor dem UNO-Gebäude demonstriert. Diesmal taten sie es vor dem Bundeskanzleramt – und meldeten sich anschließend bei der Tagung zu Wort.

Der Bundesbehindertenbeauftragte Jürgen Dusel solidarisiert sich nun: Angesichts des Rollbacks für die inklusive Bildung, das in mehreren Bundesländern zu beobachten ist, könne er die Wut der Eltern gut verstehen. Inklusion sei seit 15 Jahren geltendes Recht, an das sich auch die Bundesländer zu halten haben. Er erwarte von den Kultusministerinnen*, dass sie endlich die Förderschulsysteme zurückfahren:

Der Spiegel

»Wir suchen doch Fachkräfte, hier wären welche« (Paywall)

Verweigerung

/// Auch der Deutschlandfunk berichtet von der Berliner Tagung. Im Interview schildert Kirsten Ehrhardt von der Elternbewegung Gemeinsam leben in Baden-Württemberg die Vermeidungsstrategie der Länder gegen die Inklusion von Schülerinnen* mit Behinderung:

Deutschlandfunk

Eltern fordern mehr Anstrengung bei Inklusion

Umsetzung 1

/// Wie inklusive Bildung funktioniert und wie der Verzicht auf Schubladendenken das Unterrichten und Lernen voranbringt, schildert die Gesamtschulrektorin Martina Seifert ist diesem spannenden Podcast:

Supersozial - Der Bildungs- und Sozialcast

Schulpreis, Armut und Innovation an der Gesamtschule – Talk mit Rektorin Z. Seifert

Umsetzung 2

/// Der Behindertenbeauftrage des Landes Bremen veröffentlicht per Video Impulse zur Inklusion in der Schule:

Landesbehindertenbeauftragter Bremen

Impulse zur schulischen Inklusion in Bremen

Schleswig-Holstein

/// Selbst im einstigen Inklusions-Musterland Schleswig-Holstein ist in den vergangenen Jahren zunehmend Kritik aufgekommen, dass der Ausbau der inklusiven Bildung vernachlässigt werde und sogar Rückschritte drohen. Jetzt kündigt Schulministerin Karin Prien an, wieder mehr für das Gemeinsame Lernen zu tun:

Tagesschau

Landesregierung in SH will Inklusion an Schulen verbessern

Hessen 1

/// In Gießen werden immer mehr Förderschulplätze für Schülerinnen* mit dem Förderschwerpunkt Geistige Entwicklung geschaffen. Hier nicht durch Neubau, sondern durch Erweiterung einer anderen Förderschule, die neben körperbehinderten Schülerinnen* nun zusätzlich kognitiv eingeschränkte Schülerinnen aufnehmen soll. Die allgemein steigende Zahl der Schülerinnen* im Förderschwerpunkt Geistige Entwicklung wird in der Diskussion hingenommen wie ein Naturereignis. 

Gießener Allgemeine

Neuer Förderschwerpunkt

Hessen 2

/// In Marburg setzen Eltern große Hoffnungen in eine neue privat gegründete inklusive Grundschule. An den öffentlichen Schulen wird ein Angebot in guter Qualität vermisst:

Oberhessische Presse

Hoffnung für „Grenzgängerkinder“: Mutter aus Lahntal sieht Lücken im Schulsystem und schickt Tochter auf inklusive Grundschule

Baden-Württemberg

/// In Markgröningen werden Schülerinnen* mit Körper- und Mehrfachbehinderung seit den 70er Jahren in einer getrennten „Stadt in der Stadt“ unterrichtet. Weder Stadt noch Land scheinen sich an der in Stein gegossenen Exklusion zu stören. Statt eine inklusive Entwicklung anzustoßen, werden jetzt rund 15 Millionen Euro Landesgelder in die Runderneuerung der Sondereinrichtung gesteckt und sogar als „Investition in die Zukunft“ gefeiert.

LKZ.de

Land investiert weitere Millionen in Förderschule in Markgröningen (Paywall) 

Europa

/// Finnland und Irland arbeiten in einem gemeinsamen Programm daran, inklusive und hochwertige Bildung zu fördern. Der Blick und die Zusammenarbeit über Grenzen hinweg sollen genutzt werden:

The European Times

Finnland und Irland fördern inklusive und hochwertige Bildung

Schulpflicht

/// Die Schulpflicht bindet nicht nur Eltern, den Schulbesuch ihrer Kinder sicherzustellen. Sie ist vor allem eine Verpflichtung des Staates, jedem Kind die Schulbildung zu ermöglichen. Weil Schülerinnen* mit Anspruch auf Integrationshilfe oft der Schulbesuch verweigert wird, wenn die Schulbegleitung fehlt, hat die NRW-Landesregierung noch einmal deutlich gemacht, dass die Kinder auch ohne Schulbegleitung das Recht haben in die Schule zu gehen. Gleiches gilt für die Offene Ganztagsschule!

mittendrin e.V.

Rechtsanspruch auf Schulbesuch und Teilnahme am Offenen Ganztag auch ohne Schulbegleitung wird von der Landesregierung NRW bestätigt

Gewalt

/// Gewalt an Förderschulen ist ein wenig beachtetes Thema. Die Bildungsgewerkschaft GEW sorgt sich hier um Lehrkräfte, die Gewalt von Schülerinnen* erfahren:

GEW NRW

GEW NRW Umfrage zu Gewalt an Förderschulen

Reformpädagogik

/// Die Methoden der Montessori-Pädagogik werden von vielen Lehrkräften und Schülerinnen* geschätzt und sie werden auch in inklusiven Schulen eingesetzt. Ob Maria Montessori eine frühe Vorreiterin der inklusiven Pädagogik ist, ist dagegen umstritten. Neue Analysen ihrer Schriften geben an, dass Frau Montessori eher das Gegenteil im Sinn hatte:

Neue Züricher Zeitung

Ein neues Buch entzaubert die Gründerin der Montessori-Schulen: «Nicht Inklusion, sondern Exklusion war ihre pädagogische Leitlinie»

Primusschule

/// Nordrhein-Westfalen hat in den vergangenen Jahren als Modellversuch eine sogenannte Langformschule eingeführt, durchgehend von der Einschulung bis mindestens zur 10. Klasse. Eine Veranstaltung des NRW-Bündnisses „Eine Schule für alle“ am 9. März in Essen beleuchtet die Ergebnisse des Schulversuchs und das Potenzial der sogenannten Primusschulen für die Inklusion. Die Anmeldung ist noch möglich:

Eine Schule für alle – NRW Bündnis

„Zukunft der Primus- Schule in NRW"

Schwarzwälder Hirsch

/// Was ist aus den jungen Leuten mit Trisomie 21 geworden, die in der Doku-Serie „Zum Schwarzwälder Hirsch“ gemeinsam mit Starkoch Tim Mälzer einen Restaurantbetrieb gewuppt haben? Der Sequel-Film „Ein Jahr danach“ zeigt, ob ein Weg auf den Arbeitsmarkt für alle möglich war. Wir zeigen den Film am 21. März, dem Welt-Down-Syndrom-Tag, im Filmpalast in Köln. Zur anschließenden Gesprächsrunde kommt einer der jungen Leute aus dem Film. Auch Doku-Coach André Dietz sowie Produzent Sascha Gröhl haben zugesagt. Karten gibt´s hier:

mittendrin e.V.

Kinoabend & Diskussion: Zum Schwarzwälder Hirsch - Ein Jahr danach

Remix! 5 auf der lit.COLOGNE

/// Zum fünften Mal schon schreiben die jungen Autor:innentalente unserer Remix!-Reihe nun an ihren aufsehenerregenden literarischen Perlen. Fast könnte man sagen, sie seien alte Hasen des Literaturbetriebs geworden! Zeit für uns, Einblicke in ihr sagenumwobenes Textlabor zu erhalten.

Annette Frier hat die Teilnehmer:innen diesmal in der Schreibwerkstatt von Florian Cieslik besucht, ihnen bei der Arbeit über die Schulter geguckt und darüber einen kleinen Film gedreht. Diesen wollen wir Ihnen nicht vorenthalten, bevor wir die entstandenen Kunstwerke in gewohnt fröhlich-wahnwitziger Manier von Annette Frier und Michael Kessler vorgetragen bekommen. Das Thema in diesem Jahr versteht sich von selbst: „Mein Leben als Künstler:in“. Geremixed werden Texte von Astrid Lindgren, Danger Dan, Lewis Carroll und vielen mehr. Die Veranstaltung entsteht in Kooperation mit mittendrin e. V., sie ist barrierefrei und wird in Gebärden- und Schriftsprache übersetzt.
17. März / 17 Uhr / Stadthalle Köln
Es gibt noch ein paar Tickets:

lit.COLOGNE

REMIX! 5 – MEIN LEBEN ALS KÜNSTLER:IN