2009 hat sich Deutschland mit der Ratifizierung der UN-BRK dazu verpflichtet, ein inklusives Schulsystem aufzubauen. Trotzdem ist Inklusive Bildung noch lange keine Realität in Deutschland. Hier berichten wir anhand einer Auswahl kommentierter Medienbeiträge jeden Monat, was in Deutschland zum Thema inklusive Bildung passiert.
/// Wenn Reformen nicht so gelingen, wie man* sich das vorgestellt hat, ist es nie verkehrt, einen Blick auf die Geldströme werfen. Wie sieht zum Beispiel die finanzielle Bilanz für eine Kommune aus, die engagiert an der Inklusion in ihren Schulen arbeitet?
Dazu muss man wissen: Förderschulen werden oft von mehreren Kommunen gemeinsam getragen. So sind Landkreise Träger von Förderschulen Lernen und Geistige Entwicklung. In Nordrhein-Westfalen sind die zwei Landschaftsverbände Träger der Förderschulen für Körper- und sinnesbehinderte Schülerinnen*. Finanziert werden diese Förderschulen durch Umlagen und damit von den Kommunen. Aber was passiert, wenn eine Kommune ihre Schülerinnen* mit Behinderung selbst beschult, in den eigenen inklusiven Schulen?
Genau besehen, zahlt sie dann für jede Schülerin doppelt. Sie zahlt auf der einen Seite die Maßnahmen für die Inklusion in den eigenen Schulen. Sie zahlt aber weiterhin unverändert die Umlage für die Förderschulen des Landkreises oder des Landschaftsverbands. Selbst wenn keine* einzige Schülerin* aus dieser Kommune mehr zur Förderschule ginge, müsste sie die Förderschule in vollem Umfang weiter mitfinanzieren.
Auf diese Art werden Kommunen für eine engagierte inklusive Schulpolitik finanziell bestraft. Wenn man künftig Inklusion fördern will statt Exklusion, müssten andere Wege gefunden werden. Wie wäre es zum Beispiel, wenn Landkreis oder Förderschulverband der Kommune für jede* Schülerin*, die sie selbst inklusiv beschult, Geld aus der Förderschulumlage zurückzahlt?
Medienschau Juni
Etiketten-Schwemme
///Das NRW-Schulministerium hat Ende April die Prüfgutachten über den anhaltenden Anstieg der Zahl der Schülerinnen* mit sonderpädagogischem Förderbedarf veröffentlicht. Politische Reaktionen gibt es bislang kaum. Ist der Inhalt zu schockierend? Ein einsamer Medienbeitrag in der landespolitischen WDR-Sendung Westpol.
///Heiß diskutiert wird dagegen im Lehrerinnen*portal News4Teachers. Wie dringend so Manche* daran festhalten will, im Zweifel schnell offizielle Förderbedarfe festzustellen, liest sich besonders eindrucksvoll in den Kommentaren.
news4teachers
Mogelpackung Inklusion? Gutachten deckt auf, warum es immer mehr Kinder mit dem Stempel „förderbedürftig“ gibt
///Letztlich sind es die Schülerinnen*, die darunter leiden, wenn leichtfertig sonderpädagogische Förderbedarfe zuerkannt werden. In NRW ist die Zahl der Schülerinnen* mit Feststellungsbescheid in zehn Jahren von rund 120.000 auf rund 150.000 gestiegen. Wie viele dieser Bescheide beruhen auf zweifelhaften Gutachten?
news4teachers
Wirbel um Inklusions-Gutachten: „Wie viele Schulkinder werden fälschlich als lernbehindert diagnostiziert?“
///Die NRW-Landeselternkonferenz und die Landeselternschaft der integrierten Schulen (LEIS) verlangen gegen die Etiketten-Schwemme vor allem mehr Prävention und mehr Ressourcen in die Schulen:
///Während selbst das Schulministerium inzwischen anzweifelt, ob es bei allen sonderpädagogischen Förderbescheiden mit rechten Dingen zugeht, bauen Kommunen weiter Förderschulen für die steigende Zahl der Schülerinnen* mit Förderbedarf. In der verarmten ehemaligen Stahlstadt Duisburg gibt es ausgerechnet in den armen Stadtteilen immer mehr Kinder, denen ein sonderpädagogischer Förderbedarf zugeschrieben wird. Neue Förderschulen sind in Planung. Hinterfragt wird diese Etiketten-Schwemme nicht. Besonders eklatant ist die Zunahme des Förderschwerpunkts Geistige Entwicklung. Ein Plus von 60 Prozent verzeichnet das Schulamt in den vergangenen acht Jahren. Jüngst hat sich die Steigerung der GG-Diagnosen derart beschleunigt, dass die Stadt zum neuen Schuljahr auf die Schnelle Förderschul-Zweigstellen an Grundschulen eröffnet, durch Zäune getrennt. Der Stadtrat hat darüber nicht einmal diskutiert. Die Maßnahme wurde als Mitteilung der Verwaltung zur Kenntnis genommen.
WAZ.de
Förderschulen am Limit: Diese kurzfristige Hilfe ist geplant
///Berlin verzeichne eine stark steigende Zahl von Kindern mit geistiger Behinderung in den problembeladenen Stadtteilen Marzahn-Hellersdorf, Mitte und Neukölln, sagt die schulpolitische Sprecherin der SPD. Ausgerechnet dort, mag man fragen und überlegen, ob hier vielleicht soziale Problemlagen in Behinderungen übersetzt werden. Fragt sie aber nicht. Stattdessen schließt sie, dass man der Lage nicht mehr Herr werde, ohne neue Sonderschulen zu bauen. Sie sieht auch keinen Widerspruch zur inklusiven Entwicklung.
Herr Fechner lädt zum Gespräch - marcofechner.de
#66 Dr. Maja Lasić (SPD), Mitglied des Abgeordnetenhauses
///Berlin ändert sein Schulgesetz, aber auch dieses Mal will der Senat kein Recht auf inklusive Bildung hineinschreiben. Die Schulsenatorin findet, das sei unehrlich.
taz.de
Teilhabe an Berliner Schulen: An einigen Kindern vorbei
///Die Stadt Lübeck erweitert ihre Förderschulkapazitäten, anstatt die inklusive Bildung auszubauen. Die Stadtrats-Fraktion von Linke und GAL protestiert dagegen.
HL-Live.de
Linke und GAL: Fokus auf die inklusive Beschulung an Regelschulen legen
///Viele Förderschulen werden aus Umlagen der Kommunen finanziert. Doch was passiert, wenn eine der beteiligten Kommunen so gut für Inklusion arbeitet, dass immer weniger der dort wohnenden Schülerinnen* die Förderschule besuchen? Heute gilt in den meisten Fällen: Die Kommune muss die Förderschule wie gehabt weiter finanzieren. So etwas nennt man einen falschen Anreiz.
///Dass Außenklassen von Förderschulen keine Inklusion sind, zeigt sich schon daran, dass die Schülerinnen* offiziell weiter zur Förderschule gehören. Das hat Folgen, zum Beispiel für die Frage, wer die Schulträgerkosten zahlen muss. Genau an diesem Punkt entzündet sich in Baden-Württemberg ein Streit zwischen Kreis und Stadt.
///Die CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag hat der Regierung einen langen Fragenkatalog zur Inklusion eingereicht. In der Antwort versucht die Regierung darzulegen, dass sie gerade für die inklusive Bildung sehr aktiv sei.
///Warum schafft es eine grün geführte Landesregierung in 13 Jahren an der Macht nicht, inklusive Bildung in Baden-Württemberg zum guten Standard zu machen?
///Integrationshelferinnen* in Schulen sollen helfen, die Teilhabe an Bildung zu sichern. Inzwischen werden sie zum Risiko für das Recht, die Schule überhaupt zu besuchen. Das liegt am Personalmangel, aber auch an Schulen, die die Anwesenheit der Schulbegleitung zur Voraussetzung für die Beschulung machen.
RedaktionsNetzwerk Deutschland
Wenn das Kind nicht zur Schule darf, weil die Schulbegleitung fehlt
///Eine ganze Reihe Kölner Schulen können Inklusion. Es wurde Zeit, dass darüber wieder einmal gesprochen wird. So entstand in Köln ein rundum positiver Abend über inklusive Bildung.
///In Neufahrn bei München sind Eltern, Lehrerinnen* und Gemeinde in die Diskussion gegangen, wo es bei der inklusiven Schulentwicklung hakt und was es braucht, um besser voranzukommen.
///Der Saarbrücker Verein Miteinander Leben Lernen hat konkrete Forderungen an die Landesregierung formuliert, um die Inklusion von Menschen mit Behinderung zukünftig zu verbessern. Er fordert den Abbau von Förderschulen.
Saarbrücker Zeitung
Forderungen an die Landespolitik - Verein Miteinander Leben Lernen fordert Abschaffung von Förderschulen